Als der amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman 1982 das „Verschwinden der Kindheit“ prophezeite, da zielte er mit seiner Kritik nicht auf den digitalen Raum – das World Wide Web ist erst seit den 90er Jahren allgemein zugänglich – sondern auf das Fernsehen. Anders als die Welt der Schrift sei „TV“ ohne erhebliche Altersgrenzen für jedermann konsumierbar, ungeachtet des jeweiligen persönlichen Reifegrades und der individuellen Schutzbedürftigkeit. Und damit bestehe nicht nur die Gefahr, dass wir Menschen uns mit dem neuen Medium TV „zu Tode amüsieren“ (so sein zweites einflussreiches Werk aus dem Jahre 1985, „Amusing ourselves to death“), sondern dass die Kindheit an sich verloren gehe. Denn, so erkannte Postman mit bemerkenswerter Klarheit, Kindheit ist kein biologisches Faktum, das mit der Geschlechtsreife sein Ende findet und dann in den allgemeinen Status des „Erwachsenseins“ mündet – Kindheit ist zuallererst ein gesellschaftliches Konstrukt: Ob man 7jährige in einer Eisenmine schuften lässt, ob man 21jährigen einen geschützten Raum des Lernens an Hochschulen eröffnet, ob man (nicht strafmündige) 12jährige als Drogenkuriere einsetzt oder 16jährige zwar an Europa-, nicht aber an Bundestagswahlen teilnehmen lässt, das ist in erster Linie das Ergebnis sozialer Übereinkunft.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.2196-9817.2024.04.06 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 2196-9817 |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2024 |
Veröffentlicht: | 2024-06-27 |
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